logo caritas

Es ist schon traditionell geworden: Im Vorfeld der Bundestagswahl lädt der Diözesanverband der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung Würzburger Direktkandidaten zur Diskussion ein. Am 6. Juli konfrontierten Bildungsreferentin Sabine Schiedermair und Würzburgs KAB-Vorsitzender Thomas Wülk die Kandidierenden von CSU, FDP, SPD, Grünen und Linken mit kritischen Fragen. Zwischen den einzelnen Themenblöcken wurde abgestimmt. Mit teils überraschenden Ergebnissen.

Bürgerinnen und Bürger sind mitunter ganz schön sauer auf die, die "da oben" regieren. Spüren sie doch die Konsequenzen. Am Arbeitsplatz. Auf dem Wohnungsmarkt. Im Alter. KAB-Mitglieder haben durch ihren Diözesanverband die Möglichkeit, das, was sie stört, zu artikulieren. So stammten auch diesmal sämtliche Themen, die im Matthias-Ehrenfried-Haus eineinhalb Stunden lang mit den Kandidierenden diskutiert wurden, von den Mitgliedern der KAB-Ortsverbände. Die treibt die Frage nach unserem zukünftigen Wirtschaften, nach bezahlbarem Wohnraum, nach einer guten Altersabsicherung und nach guter Pflege um.

Gerade von schlechter Arbeit sind hierzulande unzählig viele Menschen betroffen. "Wir als KAB wollen einen gerechten Lohn für alle", betonte KAB-Stadtverbandsvorsitzender Thomas Wülk. Als Mindestlohn hält der Sozialverband 14,09 Euro für angemessen. So viel fordert derzeit keine Partei. Die Grünen wollen nach Aussage ihres Würzburger Kandidaten Sebastian Hansen einen Mindestlohn von 12 Euro: "Der in Zukunft angepasst werden soll." Und zwar so, dass die Menschen davon auskömmlich leben können: "Und einmal eine Rente erhalten, die zum Leben reicht."

Auf der Reformagenda der FDP steht ein neues "Midlife-BAföG“ von bis zu 1.000 Euro im Jahr. Laut Bundestagsabgeordnetem Andrew Ullmann schaut es in puncto lebenslanges Lernen aktuell nicht eben gut aus. Wie der Würzburger Universitätsprofessor erklärte, soll das "Midlife-BAföG“ in Zukunft sozialen Aufstieg durch Weiterbildung ermöglichen.

Paul Lehrieder von der CSU zeigte sich hingegen vollauf zufrieden mit dem etablierten Bildungssystem: "Das ist durchlässig, Chancengerechtigkeit ist gegeben, denn jeder wird bei uns gleich gefördert." Er selbst, so der gebürtige Ochsenfurter, habe es als Sohn eines Landwirts geschafft, das Gymnasium zu durchlaufen und Jura zu studieren. Auch die Verkäuferin an der Supermarktkasse habe die Chance, sich fortzubilden und aufzusteigen.

Dass hierzulande jeder die gleiche Chance auf Qualifizierung hat, wird von den Linken bezweifelt. Laut Bundestagsabgeordneter Simone Barrientos verringerte sich gerade in den letzten Jahren die soziale Mobilität. "Die soziale Herkunft spielt tatsächlich eine Rolle", bestätigte Andrew Ullmann von der FDP: "Es gibt Aufstiegsmöglichkeiten, doch die sind nicht für alle selbstverständlich." Besorgniserregend mit Blick auf das Thema "Arbeit" ist für Freya Altenhöner von der SPD, dass die Zahl der Crowdworker wächst. Die meisten arbeiteten komplett alleine vor sich hin, sie sind nicht gewerkschaftlich organisiert. Was es schwer macht, ihre Interessen zu vertreten.

Wer die eigenen vier Wände aufgeben muss, weil zum Beispiel ein neuer Job einen Umzug erforderlich macht, wird mit einer Schwierigkeit konfrontiert, die aktuell als eines der größten Sozialprobleme angesehen wird: Wohnraum ist extrem teuer geworden. Die Suche nach einer bezahlbaren Bleibe dauert deshalb immer länger. Langjährige Mieter sind mit der Problematik konfrontiert, dass die Mietpreise ständig steigen. Die Grünen wollen mit einem Mietendeckel und der Grundsteuer C auf baureife, aber unbebaute Grundstücke korrigierend eingreifen. Das hält die CSU für falsch. "Hier sind wir dogmatisch weit auseinander", so Lehrieder.

Für den CSU-Mann führen die von den Grünen präsentierten Vorschläge weder dazu, dass schneller, noch, dass mehr gebaut wird. Der Mietendeckel halte vom Bauen ab. Die Grundsteuer werde mit Blick auf zu erwartende Gewinne durch sich verteuernden Boden wahrscheinlich ohne Wimpernzucken in Kauf genommen. Für Andrew Ullmann ist die Fehlbelegung der Sozialwohnungen ein riesiges Problem. Die SPD will ein zeitlich befristetes Mietenmoratorium, so Freya Altenhöner: "Die Mieten sollen über die Inflationsrate hinaus nicht erhöht werden."

Die Linken kritisieren vor allem die zynische Ausbeutung der Notlage von Menschen, die kein Wohneigentum haben, durch kapitalmächtige Immobilienfonds. "Da ist etwas außer Rand und Band geraten", so Simone Barrientos. Politisch steht sie für eine gemeinwohlorientierte Bau-, Boden- und Wohnungspolitik nach dem Grundsatz: "Eigentum verpflichtet". Werde Eigentum missbraucht, dürfe enteignet werden.

In diesem Punkt ist die Ökopartei der Grünen dicht an den Linken dran. So kritisierte auch Sebastian Hansen, dass der Staat derzeit dem Renditehunger von Immobilienhaien keinen Einhalt gebietet: "Doch der Staat muss dafür sorgen, dass alle Menschen einen ordentlichen Wohnraum haben." Was das Thema "Rente" anbelangt, sprach sich Hansen gegen einen Renteneintritt mit 68 Jahren aus. Seine Partei schlägt zusätzlich zur Rente, in die alle einzahlen sollen, eine freiwillige kapitalgedeckte private Altersvorsorge als Ersatz für die Riester-Rente vor.

Dass eine vergleichsweise geringe Anzahl von Kindern und Enkelkindern in Kürze die Rente der "Babyboomer" zahlen muss, treibt auch die FDP um. Eine Lösung sieht die Partei in einer gesetzlichen Aktienrente. Laut Paul Lehrieder wurde von der aktuellen Regierung schon viel getan, um die Rentensituation zu verbessern: "Wir haben die Betriebsrente gestärkt und zusammen mit der SPD die Grundrente eingeführt." Freya Altenhöner sieht eine besondere Problematik darin, dass Frauen aufgrund von Familienarbeit nur wenig Rente bekommen: "Die Herren der Schöpfung müssen sich mehr an Care-Arbeit beteiligen." Die Linken wollen, dass Reiche mehr in die Rentenkasse einzahlen.

Für die KAB bleibt die Rente mit 68 ein absolutes No-Go. Bei der Schlussabstimmung auf dem Podium teilten ausnahmslos alle Kandidierenden diese Meinung. Was für Erstaunen sorgte. Allerdings war die Abstimmungsfrage auch ein wenig verzwirbelt gestellt. Doch ist das in der Politik nicht öfter so?

Neben den Moderatoren Thomas Wülk (links außen) und Sabine Schiedermair (rechts außen) machten sich alle Abgeordneten für den freien Sonntag stark (von links): Andrew Ullmann (FDP), Freya Altenhöner (SPD), Paul Lehrieder (CSU), Simone Barrientos (Die Linke) und Sebastian Hansen (Die Grünen). Bild: KAB

­