Politisch Unterschiede erkennbar gemacht
18. September 2023
Die bayerische Landtagswahl ist in der heißen Phase angekommen. Passend dazu hat die KAB in Kooperation mit dem Martinusforum eine Auswahl von Direktkandidaten aus Stadt und Kreis Aschaffenburg eingeladen und knapp 100 Besucher wollten die Debatte erleben. Die CSU schickte den ehemaligen Justizminster Dr. Winfried Bausback. Die FDP zeigte sich mit dem aktuellen Landtagsabgeordneten Dr. Helmut Kaltenhauser. Für die Freien Wähler sprach Maili Wagner und für die Grünen der ehemalige „MdL“, Thomas Mütze. Die SPD wiederum war mit der aktuellen Abgeordneten Martina Fehlner vertreten. Die Moderation übernahm Main-Echo-Chefredakteur Martin Schwarzkopf.
Qualität und Beteiligung
Dieser war es auch, der am Ende der Veranstaltung „den besonderen Wert der engagierten Ehrenamtlichen in der KAB“ hervorhob, die sich zu drei Themen vorbereitet und entsprechend qualifiziert zu Wort gemeldet hatten. Die Themengruppen brachten jeweils zu Beginn ein Statement und konkrete Fragen in die Debatte. Danach wurde das Podium dazu befragt und weitere Bürger konnten sich mit Wortmeldungen an der Diskussion beteiligen. Dabei zeigte sich nicht nur für den Moderator, dass gerade durch die vorbereitete Einleitung die Diskussion auf einem hohen Niveau verlief.
Wirtschaft und Arbeit
Gleich zu Beginn riefen Bodo Münch (KAB-Wasserlos) und Edelbert Schumm (KAB-Kleinostheim) die aktuelle wirtschaftliche Situation auf und forderten die Sorge um qualifizierte Arbeitsplätze ein. Martin Schwarzkopf machte die Frage nach der Zukunft der Arbeit an der Papierfabrik „Sappi“ in Stockstadt fest: „Wird es einen Weiterbetrieb der Fabrik geben?“ Alle Kandidaten sahen das nicht kommen. An diesem Beispiel wurde deutlich, dass die „Transformation der Wirtschaft“ hin zu digitalen und klimafreundlichen Produkten im Zentrum der Lösungssuche stand. Die Palette der Ansätze reichte von marktorientierten Ansätzen „Innovationen fördern“ (FDP) und „Netzwerke ausbauen“ (CSU), über ordnungspolitische Maßnahmen „Leistung muss sich wieder lohnen“ (FW) oder „klimaneutrale Energie ausbauen und verbilligen“ (Grüne) bis hin zu personenzentrierten Aktivitäten „Weiterbildung fördern“ (SPD). Tatsächlich zeigte sich in der Nachfrage zur „Weiterbildung“, dass sich hier die Parteien in ihren Grundsätzen unterscheiden und daraus auch eine unterschiedliche Politik entsteht. Die Parteien gehen sehr unterschiedlich mit der Frage von staatlichen Regelungen oder freiwilligen Leistungen um.
Schule und Bildung
Diese Unterschiede zeigten sich auch im Umgang mit der von Thomas Kneisel (KAB-Kleinostheim) und Ludwig Stauner (KAB-Haibach) beschrieben Situation an den Schulen. Ob Digitalisierung, Integration oder Inklusion. Die Schule steht vor großen Aufgaben bei gleichzeitigem Lehrermangel. Dieser war es auch, der die Gemüter auf dem Podium erhitzte. CSU-Vertreter Bausback argumentierte, dass es eigentlich keinen Lehrermangel gibt, sondern zu viele Lehrkräfte zu wenige Stunden im Einsatz sind. Dem Gegenüber betonten Thomas Mütze (Grüne) und Martina Fehlner (SPD), dass die Kultuspolitik mit ihrem wenig wertschätzenden Umgang gerade am Untermain viele gute Lehrkräfte an Hessen und Baden-Würtemberg verliert. FDP-Mann Kaltenhauser und FW-Frau Wagner plädierten dagegen, den Schulen mehr Freiraum für die eigene Entfaltung zu geben und zugleich die Lehrkräfte von administrativen Arbeiten zu entlasten. Für die aus dem Publikum noch einmal nachgefragte Entwicklung zur Inklusion an Schulen wurde einhellig benannt, dass es ein „sowohl als auch“ von separierten Förderschulen und inklusiven Regelschulen geben wird.
Pflege und Gesundheit
Auf bekannt kompetente Weise trugen Anja Kirchschlager und Elke Ball (KAB sozial & gerecht) ihre Forderungen aus der „Projektgruppe Pflege“ vor, die seit nunmehr zwei Jahren politische Gespräche zur Verbesserung für Fachkräfte und pflegende Angehörige führt. Unmissverständlich forderten sie die Verbesserung der Rahmenbedingungen in den Krankenhäusern und Pflegeheimen, damit bestehendes Personal gehalten und neues angeworben werden kann. Die Podiumsteilnehmer würdigten allesamt die besondere Leistung von Pflegekräften und unterstützten im Grund, dass hier weiter viel und noch mehr geschehen müsse. Allerdings zeigte sich hier auch, dass es wohl eher in vielfältigen kleinen Schritten weiter geht. Ob die Lösung darin liegt „bestehende Modellprojekte auszubauen“ oder „E-Autos als Dienstwagen für alle“, blieb letztlich offen. Richtig Punkte sammeln konnte der Vorschlag aus der Projektgruppe, zur Entlastung von pflegenden Angehörigen das Modell der „Dorfschwestern“ in Form von „Community-Health-Nurses“ neu einzuführen. Hier scheint sich bei allen politischen Wettbewerben die Ahnung breit zu machen, dass der Staat die private Pflegeleistung noch einmal mehr unterstützen muss als bisher.
Migration und Integration
Damit sich das Publikum über einzelne Wortmeldungen hinaus beteiligen kann, konnten die Teilnehmenden ihre Fragen auch auf Karten schreiben und an die Publikumspaten übergeben. Dabei wurde auch die Situation aufgerufen, dass viele Menschen in der Welt auf der Flucht sind und zugleich die Kommunen ihre Belastungsgrenzen melden. Der Publikumsvorschlag, alle „Geldleistungen an Migranten in Sachleistungen“ umzuwandeln wurde als wenig differenziert auf die Seite gelegt. Stattdessen wurde von „Grenzkontrollen einführen“ (CSU, FW) über „Fluchtursachen bekämpfen“ (Grüne, SPD) bis hin zu „Abschiebungen umsetzen“ (FDP) vieles wiederholt, was schon lange in der öffentlichen Debatte steht. Damit kamen weder aus dem Publikum noch vom Podium echte Lösungsansätze, die Situation scheint komplex und festgefahren.
Populismus und Extremismus
Schon im Vorfeld wurde die KAB dazu befragt, wie sie als Veranstalter die Auswahl der Podiumsparteien begründet. Insgesamt ging es dem Vorbereitungsteam darum eine Bandbreite, aber nicht „möglichst viele“ Parteien einzuladen. Das Podium sollte diskussionsfähig bleiben, womit die kleineren Parteien, doch nicht aufgerufen wurden. Darüber hinaus legten die Teammitglieder großen Wert darauf, nur solche Parteien zu präsentieren, für deren demokratische Grundorientierung sie auch einstehen können. Das Publikum sollte sich darauf verlassen können und bestätigte diese Positionierung in der Veranstaltung auch mit einem deutlichen Szeneapplaus. Darüber hinaus gab es die Publikumsfrage, wie die möglichen „Mitglieder des Landtages“ die aktuellen Spaltungstendenzen in der Gesellschaft – wie sie sich gerade in Aschaffenburg zeigen – als eigenen politischen Auftrag verstehen. Das Podium war sich einig in der „Brandmauer gegen Populisten“. Martina Fehlner fand darüber hinaus die deutlichsten Worte: „Wir müssen die Probleme lösen, die die Menschen in die Arme von Populisten und Extremisten treiben.“
Dank und Anerkennung
Am Ende bedankte sich Edelbert Schumm im Namen der Veranstalter und bei allen Beteiligten: In der Vorbereitung, auf dem Podium und beim Moderator. Einmal mehr hat die KAB mit dieser Veranstaltung einen öffentlichen Ort für Bürgerinnen und Bürger geschaffen, um notwendige Diskussionen in einem qualifizierten Rahmen zu führen. Es ist der Lohn des Engagements, dass dies einerseits mit einer hochkarätigen Podiumsbesetzung sowie guten Teilnehmerzahl und andererseits in den eingangs zitierten Worten von Martin Schwarzkopf bestätigt wurde. Eine ehrenamtliche Beteiligung, eine wertbasierte Haltung und eine qualifizierte Vorbereitung sind die starken Säulen einer guten KAB-Bildungsarbeit.