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Die Situation von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die trotz ihres Einkommens von Armut bedroht sind, hat der Aktionstag „Armut trifft Arbeitnehmer:innen“ in den Blick genommen. Mehr als 60 Interessierte waren am Samstag, 15. Oktober, in das Aschaffenburger Martinushaus gekommen. Organisiert wurde der Tag von der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB)  gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit, der Caritas Aschaffenburg, der Diakonie am Untermain, In Via und dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB).

In ihren Statements machten Dr. Bernhard Emunds, Professor für Christliche Gesellschaftsethik und Sozialphilosophie, und KAB-Bundespräses Stefan B. Eirich deutlich, dass unser Wirtschaftssystem Gerechtigkeit oft vermissen lasse. Eirich verwies unter anderem auf den Gender-Pay-Gap, also den Verdienstunterschied zwischen Frauen und Männern, der im Osten Deutschlands bei sechs Prozent und im Westen bei 18 Prozent liege. Er forderte einen größeren Einsatz der Kirchen für die Gerechtigkeit für Frauen. Es sei höchste Zeit, dass sich Bischöfe und Kirchenleitungen in die zunehmenden Verteilungskämpfe dieser Tage einbringen, sagte der Theologe. „Vielleicht gäbe es etwas an Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen, wenn sie entdecken würden, dass es auch außerhalb der Kirchen und ihrer ergebnisarmen Reformbemühungen um mehr Gender-Gerechtigkeit eine Frauenfrage gibt mit fortdauernder Diskriminierung, Lohn- und Rentenlücken.“

Emunds machte deutlich, wie wichtig in einer Arbeitsgesellschaft die Erwerbsarbeit für die Beteiligung des Einzelnen als Gleicher unter Gleichen sei. Es bereite ihm Sorgen, wenn der Anteil der geringfügig Beschäftigten viele Jahre angestiegen sei und jetzt auf hohem Niveau bei um die 7,4 Prozent stagniere. Die aktuellen Krisen würden die Situation gerade für die unteren Einkommen noch verschärfen. Emunds begrüßte grundsätzlich die vom Staat angestoßenen Maßnahmen wie die Heraufsetzung des Mindestlohns oder das Bürgergeld. Er mahnte aber auch an, darüber hinauszuschauen. Die jetzt gestiegenen Energiepreise täten den Menschen mit niedrigem Einkommen zwar weh, wären aber früher oder später sowieso gekommen. Laut Edmunds seien sie für die dringend erforderliche ökologische Kehrtwende notwendig. Deswegen sei klar, dass für die Menschen, die sozial am unteren Spektrum der Gesellschaft stehen, die Lasten in Zukunft so verteilt sein müssen, dass sie diese auch tragen können. Dazu gehöre auch der Mut, einen „Konsumkorridor“ zu schaffen, der die Freiheiten der Reichen in der Gesellschaft einschränke. Sie seien etwa beim CO2-Ausstoß jetzt schon die, die am meisten verursachten und durch die gestiegenen Preise kaum berührt würden.

Claudia Giegerich von der Aschaffenburger Arbeitsagentur für Arbeit lieferte die Zahlen für die Region Untermain. Dabei fiel auf, dass im Bereich der geringfügig Beschäftigten Frauen deutlich mehr als die Hälfte stellen. Sie berichtete, dass man im Arbeitsamt die Komplexität der aktuellen Krisensituation wahrnehme. „Wir spüren bei den Arbeitnehmern mehr Angst.“ Die Belastungen führten nach ihren Worten auch zu einem höheren Krankheitsstand. Aber auch bei den Arbeitgebern gebe es eine große Unsicherheit. „Die Frage, ob man diesen Winter ohne Insolvenz übersteht, wird ebenso beklagt wie der Fachkräftemangel in bestimmten Bereichen.“

Nach den Impulsen und der Diskussion am Vormittag diente der Nachmittag der Vertiefung des Themas. Die Teilnehmenden sahen beispielsweise genauer hin bei der Frage, was prekäre Arbeitsstellen am Untermain bedeuten und wie man wohnungslosen Frauen konkret helfen kann. Eine Gruppe brach zu einer Straßenumfrage auf, um zu erfahren, welche Einstellungen die Passanten zum Thema Armut haben. In anderen Gruppen wurden Visionen für eine andere und bessere Arbeitswelt entwickelt oder ein Überblick verschafft, wo man Hilfe für das Durchdringen des Bürokratiedschungels bekommt.

Der Tag diente insgesamt vor allem dem Hinsehen auf die Situation, so das Fazit von Betriebsseelsorger Marcus Schuck. Für die kommende Zeit sind weitere Veranstaltungen rund um das Thema geplant.

Burkard Vogt / POW

 

 

Fotos: Klaus Öttinger

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