„Hört auf mit der Repression!“
24.3.1980 - 24.3.2010
Nur nicht alte Wunden aufreißen! Das kann nicht dem Wohl des Staates dienen. Damit lehnte vor Jahren El Salvadors Staatspräsident Antonio Saca kategorisch erneute Untersuchungen im „Mordfall Romero“ ab. Wenn einer um das Wohl des salvadorianischen Volkes besorgt war, dann war es der Erzbischof von El Salvador selbst, Oscar Arnulfo Romero Y Galdámez, der am 24. März 1980 von beauftragten Militärs, als er gerade in der Krankenhauskapelle der Divina Providencia die Hl. Messe las, ermordet wurde.
Oscar Romero starb für sein unterdrücktes Volk. Dem war er kein Unbekannter, denn er setzte sich öffentlich gegen die staatlichen Repressionen gegenüber den ausgebeuteten Campesinos ein, trat für soziale Gerechtigkeit und politische Reformen ein, stellte sich damit in Opposition zur damaligen willkürlichen Staats-macht, die durch ihre brutalen Militärs bekannt war. Ausgeguckt und gezielt haben die Todesschwadrone radikal alle Reformer, alle Kritiker und protestierende Staatsangehörige, vor allem der Mittelschicht, kaltblütig und bedingungslos beseitigt.
Doch bis heute ist Romeros Tod ungesühnt, denn seit 1993 verhindert ein Amnestie- gesetz, die Täter unzähliger Bluttaten während des Bürgerkrieges zur Rechenschaft zu ziehen. Einziger Fingerzeig war wohl, als ein kalifornisches Zivilgericht den Ex-Hauptmann Alvaro Rafael Saravia wegen Mordes zur Zahlung von zehn Millionen US-Dollars an anonymen Hinterbliebenen Romeros verurteilte. Dies wurde erst möglich, als eine UN-Wahrheitskommission die salvadorianischen Todesschwadrone als Verantwortliche ausfindig gemacht hatte.
Wer war dieser Oscar Arnulfo Romero y Galdámez? 1917 geboren, aufgewachsen in bescheidenen Verhältnissen in einer kleinen Gebirgsstadt nahe der Grenze zu Honduras, studierte als Internatsschülers und später am jesuitischen Priester-seminar in San Salvador Theologie und beendete sein Studium an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom, wo er 1942 zum Priester geweiht wurde. Sein Pro-motionsstudium brach er ab und kehrte auf Verlangen seines Bischofs 1943 mit einem italienischen Schiff über Kuba, wo er mit seinem Begleiter Valladares ver-haftet und interniert wurde, dann auf Umwegen über Mexiko nach El Salvador zurück. In den Folgejahren arbeitete Romero als gefragter Prediger, als wortgewandter Redakteur kirchlicher Zeitschriften, wurde Monsignore und Generalsekretär der Nationalen Bischofskonferenz und alle Laienbewegungen fanden bis Ende der 60er Jahre in seiner Pfarrei ihren pastoraltheologischen Mittelpunkt. Seiner Ernennung zum Weihbischof der Erzdiözese San Salvadors 1970 folgte 1974 die Berufung zum Bischof der Diözese Santiago de Maria und 1977 wurde er zum Erzbischof von San Salvador ernannt; doch seiner Ernennung gingen heftige innenpolitische Unruhen, ja Revolten voraus. Er galt bei seiner Ernennung als Wunschkandidat der Konservativen und weniger Oligarchen. Doch seine pastorale wie politische Haltung war wie seine Ernennung im Klerus sehr umstritten. Es war die Zeit des Generals Mario Molina und die Zeit der vehementen schwelenden innenpolitischen Konflikte über eine Agrarreform, um das Land der in einer Oligarchie organisierten Land-wirtschaft umzuverteilen; doch dies wurde im Lande von vielen nicht geteilt. Eine vom Parlament einberufene Kommission hatte einige Reformvorschläge erarbeitet, doch diese Kommission wurde von General Mario Molina aufgelöst und per Dekret wurden die Vorschläge außer Kraft gesetzt: Es folgten Unruhen, Übergriffe auf Priester, Folterungen, Angriffe auf kirchliche Güter. Viele Menschen flohen. Eine umstrittene Wahl und Repressionen an den Wahlurnen heizten einen Generalstreik an. In dieser Zeit kam es kirchenpolitisch durch die Vorgaben des II. Vatikanischen Konzils und die Umsetzungen durch die 2. Generalversammlung des lateinamerikanischen Epi-skopates in Medellín zu weiteren Spannungen im Land. Denn die Kirche verstand sich demzufolge „als ein Volk Gottes und identifiziert sich mit den Leiden und Hoff-nungen des Volkes“, insbesondere mit den Unterdrückten, mit den Ausgebeuteten, den Besitz- und Rechtlosen im Lande. Aus diesem Grunde sah sich auch die Kirche verantwortlich und dazu bestimmt, sich als „Institution gegen eine Sozialordnung zu wenden, die auf Ungerechtigkeit, Ausbeutung und Unterdrückung gründet.“ (Medellin).
In seinem 3. Hirtenbrief 1979 schreibt er unmissverständlich von einer religiösen Botschaft der Kirche, die aber auch einen genuinen Auftrag hat, die Gemeinden zu unterstützen, denn Gottes Wort enthalte konkrete Postulate; daraus könne insbe-sondere ein politisches Engagement entstehen; in der christlichen Hoffnung geht es aber um ganzheitliche Befreiung, die eine spirituelle Dimension enthalte, deren Ziel die Erlösung und die Glückseligkeit in Gott ist. Er fordert eine Bekehrung des Herzens. Bloße Strukturänderungen sind unbefriedigend, doch Gewalt hält er für unchristlich und unevangelisch; sie ist unwirksam und mit der Würde des Volkes letztlich unvereinbar.
Doch zu dieser Zeit waren die salvadorianischen Bischöfe wohl innerlich sehr gespalten, da sie sich nicht im Klaren waren, inwieweit sie eine befreiungs-theologische Pastoral, die vor allem Romero in seiner Hirtenarbeit übernehmen wollte, unterstützen sollten. Romeros Ideal als Seelsorger war es immer, der „Berufung treu zu sein, im Dienste des Volkes und der Kirche“ zu stehen. Für sein pastorales Engagement bedeutete das: die Ärmsten, die Campesinos draußen in den Landgemeinden zu besuchen, die ständig neuen staatlichen Gewaltakten ausgesetzt waren, die Opfer von Willkür und Terror durch Rechtshilfe zu unter-stützen, ein Hilfswerk für Flüchtlinge einzurichten, öffentlich die Namen von Verschwundenen und Gefolterten zu nennen und in deren Namen zu sprechen und auch die mutmaßlichen Täter zu benennen. So sah er den größten Beweis des Glaubens an einen Gott des Lebens und der Barmherzigkeit immer bei denen, die bereit waren, für ihr Glaubenszeugnis ihr Leben hinzugeben und sich für eine menschlich-soziale, gerechtere Welt einzusetzen. Noch einen Tag vor seiner Ermordung beschwor er in seiner Predigt in der Kathedralkirche gleichsam seine Mörder: „Es ist Zeit, das ihr euer Gewissen wiederentdeckt und es höher haltet, als die Befehle der Sünde. Die Kirche, Verteidigerin der göttlichen Rechte und Gottes Gerechtigkeit, der Würde des Menschen und der Person, kann angesichts der Gräuel nicht schweigen. Wir fordern die Regierung auf, die Nutzlosigkeit von Reformen anzuerkennen, die aus dem Blut des Volkes entstehen. Im Namen Gottes und im Namen des leidenden Volkes, dessen Klagen jeden Tag lauter zum Himmel steigen, ersuche ich euch, bitte ich euch, befehle ich euch im Namen Gottes: Hört auf mit der Repression!“ Diese letzten Rufe und Bitten waren gleichsam auch das „standhafte Vermächtnis“ eines guten Hirten (vgl. Joh 10,11-15), der wahrlich für sein Volk um der Gerechtigkeit und des Friedens willen gestorben ist.
DDr. habil. J. Georg Schütz KNA-MNr. 36 100 190
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