Mut zum Kind braucht Rahmenbedingungen
Deshalb hat das Europäische Parlament zur Vereinbarkeit von Berufs-, Familien- und Privatleben (2003/2129(INI)) ihre Mitgliedstaaten und die Beitrittsländer ermuntert, eine Analyse der Auswirkungen ihrer Familienpolitik ("family mainstreaming") durchzuführen und eine Folgenabschätzung (KOM(2002) 276), die die unterschiedlichen Dimensionen und Definitionen von Familie berücksichtigt, zu erarbeiten. Das ist offensichtlich nicht geschehen. Alle in den letzten Jahren durchgeführten Reformen, egal welcher Partei, z. B. die Unterhaltsreform im Scheidungsrecht, die Gesundheitsreform (höhere Zuzahlungen, Aufgabe der paritätischen Beitrage AG und AN), die Arbeitsmarktreform (Öffnung des Niedriglohnsektors, prekäre Arbeitsverhältnisse, Leiharbeit etc.), die Schulreform (G8) u.v.m. haben dazu geführt, dass die Deutschen immer mehr „Angst vorm Kinderkriegen“ (Studie des Kölner Rheingoldinstituts) haben.
Die im November 2010 erschienene Studie stellt fest: Kinderkriegen ist nach Meinung der Frauen von heute nicht mehr selbstverständlich, nicht mehr "völlig normal". Schon bei der Frage, ob sie überhaupt Mutter werden wollen, geraten viele Frauen in einen ernsthaften Konflikt. Kinderkriegen bedeutet für die Frauen vor allem Festlegung und Unfreiheit, Verlust, Angst, ja sogar Sorge vor der „Auflösung des eigenen Ichs“. Die Frauen wollen sich nicht in Perfektionszwänge drücken lassen, geraten aber nach der Geburt unweigerlich in Rechtfertigungszwänge zwischen Glucke und Rabenmutter
Sowohl die Angst, durch eigene Kinder finanziell und somit sozial abzusteigen als auch die Unsicherheit, vom Partner verlassen zu werden und sich dann als alleinerziehende Mutter durchs Leben schlagen zu müssen, treiben die Frauen um. Konkret empfinden 58 Prozent der befragten Frauen Kinder als Kostenfaktor, den man sich erst mal leisten können muss, 42 Prozent verbinden mit dem Mutterwerden ganz konkrete finanzielle Sorgen und Ängste. Gerade in den jüngeren Jahren fehlt die Sicherheit im Job, weshalb sich potenzielle Mütter durchaus im Sinne der allgemeinen Logik verhalten, wenn sie keine Kinder bekommen.
In einer Untersuchung des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) vom März 2010 wurden unter anderem die berufsbedingte Mobilität und die Folgen für Familien erforscht. Die Untersuchung zeigt, dass sich Mobilität und Elternschaft für Frauen kaum miteinander vereinbaren lassen. Sie bleiben also entweder kinderlos und mobil oder sie werden Mütter und sind nicht mobil, mit negativen Auswirkungen auf die Berufsaussichten.
Und so entwickelt sich der Aufschub eines Kinderwunsches meist zum Verzicht auf Elternschaft.
Eine gesellschaftliche Debatte über die Leistungsträger der Gesellschaft ist längst überfällig und nicht nur durch einen einseitigen Ausbau der Kinderbetreuung unter drei Jahren zu lösen. Zu einer echten Wahlfreiheit des Lebensmodells „Familie“ gehört, dass Familienarbeit gesellschaftlich besser anerkannt und wie Erwerbsarbeit ein selbstverständlicher Teil der Biografie wird. Familien brauchen neben der Infrastruktur (zum Beispiel durch Horte und KiTas) auch Geld – und vor allem Zeit!
Das Kinderkriegen muss, so die Frauen in der rheingold-Studie, in Deutschland wieder normal und unspektakulär werden. Mütter suchen Fürsprecher, die sie in diesem Wunsch unterstützen.
Interessant war für die Forscher hierbei auch, dass die Mamas von heute kein Vertrauen in die deutsche Politik haben, diese könnte entsprechende Rahmenbedingungen schaffen. Und genau diese Feststellung sollte den Verantwortlichen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu denken geben! Denn „nicht geborene Eltern“ können selbst bei drastischen Verbesserungen der Familienpolitik keine Kinder haben.
Erdmann Theresia
stellvertr. Diözesanvorsitzende KAB – Katholische Arbeitnehmer-Bewegung
Sprecherin der AG Familie des KAB Diözesesanverbandes Würzburg e.V.
Michael Kroschewski
Diözesanvorsitzender des Familienbundes der Katholiken im Bistum Würzburg
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