Indien und Europa geben sich starke Impulse
Indien und Europa, diese beiden Regionen der Welt verbindet mehr als die aktuellen Wirtschaftsbeziehungen. Da gibt es etwa auch den kulturellen Austausch oder die vielen zwischenmenschlichen Begegnungen bei konkreten Hilfsprojekten.
So stellte die EU 13 Millionen Euro für die Ärmsten der Armen zur Verfügung, die von der Tsunami-Katastrophe betroffen waren und deren Monatseinkommen umgerechnet 5 bis 10 Euro beträgt. Koordinator vor Ort für zwei derartiger Projektmaßnahmen mit einem Gesamtbudget von 2,5 Millionen Euro ist der Würzburger Rainer Höchst. Er ist als Fachkraft von Caritas International für die ordnungsgemäße Abwicklung und Nutzung der Hilfsgelder verantwortlich. In weit über 20 Dörfern mit mehr als 19.000 Einwohnern entlang des Golfs von Bengalen wurden hunderte Häuser für diese Familien errichtet. Die Baumaßnahmen berücksichtigen dabei einen Sicherheitsabstand zum Meer von mindestens 500 Metern. Den Fischern wurden auch neue Boote oder Reparaturersatzteile bereit gestellt, damit sie wieder ihren Lebensunterhalt bestreiten konnten. Darüber hinaus beinhaltet das europäische Wiederaufbauprogramm etwa Bildungsmaßnahmen zur Hygiene, beruflichen Qualifizierung und die psychologische Aufarbeitung mit den Tsunami Traumageschädigten. Rainer Höchst weiß um die große Not und Dankbarkeit der Einheimischen. Im gemeinsamen Gespräch beschreibt er immer wieder auch das Phänomen, das sich gerade in Indien vollzieht: Einerseits eine wirtschaftliche Supermacht, die mit exklusiven Hightech-Firmen und besten Hochschulen aufwarten kann, andererseits eine große Mehrheit von Menschen, die oftmals mit einfachsten Mitteln ums nackte Überleben kämpfen und mit ihren Familien gerade mal so über die Runden kommen, wobei das karge Auskommen von circa 35 Millionen Kinderarbeitern mitbestritten wird. Die sehr niedrigen Einkommen sind ein großes Problem. Ein Maurer erhält beispielsweise maximal zwei Euro am Tag als Lohn. Selbst Beamte, Lehrer und Akademiker im allgemeinen blicken in der Regel auf niedrigste Einkünfte. Die im Vergleich zu Europa recht geringen Lebenshaltungskosten gleichen diesen Umstand jedoch nicht aus. Die Mitarbeiterin eines großen Automobilkonzerns berichtet mir parallel dazu, dass ihr deutscher Arbeitgeber eine neue Fabrik in Indien für die rund eine Million indischer Millionäre errichten will. Höchst kommentiert zugespitzt diese ernüchternden Fakten mit den Worten, dass Indiens Reichtum auf der Armut der Masse beruhe.
Ganz in der Nähe jener Tsunami-Projekte, in der Nähe der Stadt Pondicherry, findet man die Kolping Higher Secondary School mit mehreren hundert Schülern aller Altersstufen. Sie ist ein weiteres Beispiel für eine gelungene Zusammenarbeit zwischen Europa und Indien. Mit modernen Lehrmitteln und didaktische Methoden erhalten dort die Schüler eine höhere Schulbildung. Die Eltern der Schüler müssen 5 Euro im Monat an die Schule zahlen. Die Gebühren der Schüler reichen freilich lediglich für die Lehrergehälter aus. Den Rest der Finanzmittel stammt von Kolping-Institutionen aus Europa. Die Junglehrer verdienen 40 bis 60 Euro monatlich, die Lehrkräfte mit längerer Berufserfahrung 70 bis 100 Euro. Die Kolping-Schule ist ein Beispiel dafür, dass die Kinder und Jugendlichen mit großer Akribie und Zielbewusstsein lernen. Nach der Schule ergreifen die Abgänger ein Studium oder einen ordentlichen Beruf – je nach Begabung und deren finanziellen Möglichkeiten.
Unweit dieser Kolping-Ganztagesschule liegt Auroville – ein Ort, der in den siebziger Jahren des 20. Jh. von idealistischen Europäern und Indern gegründet wurde. Er integrierte traditionelles indisches Dorfleben und neueste Baukunst. Dabei ist das Zusammenleben der Bewohner geprägt von gegenseitiger Toleranz, neuen Lern- und Arbeitsformen. Deutlich wird das unter anderem an den Schulen, die auf Reformpädagogik setzen und für die Kinder und Jugendlichen mit stärkerer Beachtung der individuellen Entwicklung und mit architektonisch ansprechenden Schulräumen aufwarten.
„Kein Frieden ohne Gott“, erinnert sich Ralph Stapp. Diese Worte aus der Aschermittwoch-Predigt von Erzbischof Anandarayar verinnerlicht er, als ihm schließlich die religiöse Ernsthaftigkeit und traditionelle Verwurzelung der Inder in den Sinn kommt. Sie hat ihn als Europäer ganz besonders beeindruckt, da er in seiner deutschen Umgebung eine noch nie dagewesene Säkularisierung feststellt. Und so denkt er, dass die tiefe Hingabe der Inder an Gott – sei es in der hindhuistischen, muslimischen oder christlichen Ausprägung – für den abendländischen Menschen eine große Inspiration darstellt, die ihm viele Anstöße für eine natürliche Frömmigkeit und Glaubenspraxis bietet.
Diese exemplarischen Erlebnisse machten erneut deutlich, dass der Austausch und die Kooperation zwischen Indien und Europa keine Einbahnstraße darstellen, von der nur eine der beiden Parteien profitiert, sondern beide gleichermaßen, wenn auch wohl auf unterschiedliche Art und Weise.
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