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Wege für Soziale Gerechtigkeit

Dokumentation – Predigt von Bischof Dr. Friedhelm Hofmann bei der heiligen Messe anlässlich des 14. Bundesverbandstags der KAB Deutschland am 2. Oktober in der Pfarrkirche Heiligkreuz in Würzburg

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Mitbrüder,

mit Freude und Dank schaut das Bistum Würzburg auf Ihren 14. Bundesverbandstag, den Sie heuer in Würzburg abhalten. Sie sind in ein Weinland gekommen. Wenn auch schon die Traubenlese fast abgeschlossen ist, so kleiden doch die Weinberge rings um Würzburg die Stadt in ein kostbares Gewand. Nicht umsonst werden in der Heiligen Schrift immer wieder Weinberge, Rebstöcke und Trauben erwähnt. Von ihnen ist – den Reben ist fünf Mal, vom Weinstock 16 Mal in der Bibel die Rede, vom Weingärtner (Winzer) vier Mal, von der Weinlese zwei Mal, vom Wein 33 Mal und vom Weinberg 20 Mal – summa summarum 80 Mal die Rede. Darunter befinden sich wunderbare Aussprüche: „Gott gebe dir…Getreide und Wein im Überfluss“ (1 Mos 27,28) oder „Dass der Wein des Menschen Herzen erfreue.“ (Ps 103,15)

Jesus Sirach sagte – und das gilt sicherlich auf noch für heute: „…wird der Wein mäßig getrunken, so gibt er den Menschen ein ruhiges Leben.“ Und: „der Wein ist … zur Freude geschaffen.“ (31,35) Christus vergleicht sich selbst mit dem Weinstock: „Ich bin der wahre Weinstock, und mein Vater ist der Winzer.“ (Joh 15,1) Bis ins Detail hinein bezieht er die Reben- und Traubenpflege in seine Katechese ein. „Jede Rebe an mir, die keine Frucht bringt, schneidet er ab, und jede Rebe, die Frucht bringt, reinigt er, damit sie mehr Frucht bringt.“ (Joh 15,2) Ihm geht es darum, dass wir das Bild vom Weinstock und den Reben auf uns übertragen: Eine Rebe kann nicht ohne Weinstock sein. Abgeschnitten verfault oder vertrocknet sie. Wenn aber die Reben fest im Weinstock verbleiben, haben sie genug Nahrung, um pralle Trauben hervorzubringen.

Welcher Winzer freut sich nicht über eine gute Ernte? Er nimmt alle Last auf sich und tut alles, um gute Trauben zu ernten.

Im heutigen Gleichnis, in dem von den bösen Winzern die Rede ist, haben wir eine ‚Allegorie’ vor uns, in der sich die Bildsprache von selbst entschlüsselt: Der Hausherr ist Gott, der Weinberg das auserwählte Volk Israel. Die Knechte sind die Propheten, die bösen Winzer die ungläubigen Juden, das andere Volk die Heiden, an die dann der Weinberg verpachtet wird.

Papst Benedikt XVI. hat auf seiner Deutschlandreise im Berliner Olympiastadion das Gleichnis vom Weinstock aufgegriffen: „Im Gleichnis vom Weinstock sagt Jesus nicht: ‚Ihr seid der Weinstock’, sondern: ‚Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben’ (Joh 15,5). Das heißt: ‚So wie die Rebzweige mit dem Weinstock verbunden sind, so gehört ihr zu mir! Indem ihr aber zu mir gehört, gehört ihr auch zueinander.’ Und dieses Zueinander- und Zu-ihm-Gehören ist nicht irgendein ideales, gedachtes, symbolisches Verhältnis, sondern – fast möchte ich sagen – ein biologisches, lebensvolles Zu Jesus-Christus-Gehören. Das ist die Kirche, diese Lebensgemeinschaft mit ihm und füreinander, die durch die Taufe begründet und in der Eucharistie von Mal zu Mal vertieft und verlebendigt wird. ‚Ich bin der wahre Weinstock’, das heißt doch eigentlich: ‚Ich bin ihr und ihr seid Ich’ – eine unerhörte Identifikation des Herrn mit uns, seiner Kirche.“

Die KAB, die sich bemüht, bei den Menschen zu sein, weiß sich diesem Grundgeheimnis der Kirche verpflichtet. Sie wächst da über sich hinaus, wo sie in ihren vielen Aktionskreisen und Ortsvereinen engagiert Wege für Soziale Gerechtigkeit beschreitet. Das heutige Motto: „Fair teilen statt sozial spalten – Nachhaltig leben und arbeiten“ versucht das umzusetzen, was unser Heiliger Vater in seiner vielbeachteten Rede vor dem Bundestag grundsätzlich formuliert hat: „Die Politik muss Mühen um Gerechtigkeit sein und so die Grundvoraussetzung für Friede schaffen.“ Und wenig später sagte er: „Wo die alleinige Herrschaft der positivistischen Vernunft gilt – und das ist in unserem öffentlichen Bewusstsein weithin der Fall –, da sind die klassischen Erkenntnisquellen für Ethos und Recht außer Kraft gesetzt. Das ist eine dramatische Situation, die alle angeht und über eine öffentliche Diskussion notwendig ist, zu der dringend einzuladen eine wesentliche Absicht dieser Rede ist.“ Der Papst arbeitet mit den Begriffen von Natur und Vernunft und folgert: „Von der Überzeugung eines Schöpfergottes her ist die Idee der Menschenrechte, die Idee der Gleichheit aller Menschen vor dem Recht, die Erkenntnis der Unantastbarkeit der Menschenwürde in jedem einzelnen Menschen und das Wissen um die Verantwortung der Menschen für ihr Handeln entwickelt worden. Diese Erkenntnisse der Vernunft bilden unser kulturelles Gedächtnis. Es zu ignorieren oder als bloße Vergangenheit zu betrachten, wäre eine Amputation unserer Kultur insgesamt und würde sie ihrer Ganzheit berauben.“

Ich danke Ihnen allen für Ihr unterschiedliches Engagement in den verschiedenen Gruppen und Aktivitäten. Mit dem erprobten Dreischritt „Sehen – Urteilen – Handeln“ gehen Sie den Weg als Brücke zwischen Kirche und Arbeitswelt. Sie beziehen Ihre Werte aus dem Evangelium und der christlichen Soziallehre und setzen sie in konkreten Handlungsfeldern um. Danke! Seien Sie versichert, dass Ihre Arbeit nicht nur zeitgemäß ist, sondern von unschätzbarem Wert. Ja, Ihre Bewegung schafft – gegen den Trend der Vereinzelung in unserer Gesellschaft – Gemeinschaft und macht sichtbar, dass die Reben am Weinstock Christi konkret Früchte bringen.

Im Blick auf das Ende der Welt und das Gericht spricht Jesus von der Aberntung der Trauben (vgl. Offb 14,18) und vom Lohn an die Arbeiter im Weinberg (vgl. Mt 20): Auch die erst eine Stunde im Weinberg Arbeitenden bekommen denselben Lohn wie die, die Mühe des ganzen Tages getragen haben.

Das ist sicherlich ein anderes Prinzip als unsere Lohnberechnung. Es zeigt aber wieder Gottes Liebe, die uns nachgeht. Erweisen wir uns dieser seiner Liebe würdig. Amen.

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